Das heißt, schon.
Zu den Bildern von Ernst Jani

Und dann geht er hin an den Tisch. Will etwas, aber nichts Bestimmtes. Das heißt, schon etwas Bestimmtes, aber es muß herauskommen und sagen: Ich bin da.
Das Ergebnis liegt nicht an ihm. Das heißt, natürlich liegt es an ihm, genauer gesagt: in ihm, aber er hat sich das Bild nie so vorgestellt, wie es wird, weil er es sich eben nicht vorstellt. Er holt es heraus, es kommt heraus, wie gesagt.
Absichtslos trägt es sich aber auch wieder nicht zu, dieses Malen, Zeichnen, Herausholen. Viel Kraft steckt dahinter, aber nicht unbändige. Gebändigte Kraft und künstlerische Absicht. Aber keine Planung, keine Entwürfe, Skizzen. Stattdessen schnelle Entschlüsse: Dieser Tintenstift aus den 20er Jahren vielleicht, jener Pinsel, das Wasser, sauber, dreckig, die bestimmte Farbe und keine andere, natürlich. Fragen Sie ihn nicht, warum. Ich würde gern in ihn hineinschauen. Wie das funktioniert. Vor allem anderen die Sache mit der Komposition. Wie er das alles so dynamisch und ohne große Vorüberlegung, wörtlich bitte, ins Bild setzt, daß es sich spannt, spannend wird also, weil er ein intuitives Formempfinden hat wie nur wenige seiner Zunft.
Dabei ist das ja gar nicht seine Zunft, das heißt, schon, aber gelernt hat er es nicht. Das heißt, schon, aber bloß im Selbststudium. Das heißt, studiert hat er weniger, er hat es einfach gemacht, da war er noch keine zwanzig, und nur die ersten Monate Machen verraten ein Tasten, ein Suchen, ein Bemühen. Dann bemüht er sich nicht mehr. Das heißt, schon, irgendwie schon. Ist ja ein Lebensmittel für ihn, das Malen, hat er doch bereits jetzt, in seinem persönlichen Mittelalter, ein riesiges, respektgebietendes Werk geschaffen. Aber was er ab zwanzig schafft, hat nichts Bemühtes mehr an sich, so gut wie nie. Aus einem Guß ist es. Ernst Jani stellt sich voll in den Dienst seiner Kunst, so kann man es vielleicht ausdrücken, ist Schöpfer im Wortsinn, holt heraus.


Stimmt einfach alles in seinen Bildern, die Raumaufteilung, die Farben, ihr Leuchten, die Expressivität. Klar wie ein Gebirgsbach, fällt mir da ein, nichts Opulentes, keine Schnörkel, es verschwimmt nichts. Das heißt, schon, schließlich arbeitet er mit Wasser und Farben, aber auch wenn etwas verschwimmt, flächig wird in feinsten Abstufungen, weil er spürt, das muß jetzt sein, bleibt es klar.
Er macht es mir wahrlich nicht leicht, mich seiner Arbeit mit Worten anzunähern. Das heißt, schon, weil seine Blätter so unmittelbar zu mir sprechen, mit mir, wir verstehen uns meistens auf Anhieb. Aber erstens hat Janis Kunst trotz aller Kraft und Klarheit, aller Intensität etwas Filigranes, Zartes, zuweilen sogar Zärtliches, das man mit Worten leicht erschlagen kann, obwohl mir seine Bilder andererseits ganz und gar nicht verletzlich erscheinen, und zweitens habe ich gerade ‚unmittelbar’ geschrieben, als ich charakterisierte, wie seine Blätter zu mir sprechen. Ich dagegen verliere so viele Worte. In Ernst Janis Bildern sind, das wollte ich hier unter anderem herausarbeiten, keine Widersprüche zu entdecken, und doch wimmelt es in meiner Annäherung an den Künstler und seine Kunst von Abers und ähnlichen scheinbaren oder wirklichen Einschränkungen, von zweiten Blicken, die dem ersten gehörig entgegenstehen. Diesen Widerspruch lasse ich einfach so stehen.
Jani hat einen Brotberuf und eine zweite künstlerische Berufung neben dem Malen, das literarische Kabarett. Er hat sich wohl auch deshalb jahrzehntelang nicht sonderlich um die Vermarktung seiner Bilder gekümmert, weil auch sein Tag nur vierundzwanzig Stunden hat, weil die Bühne ein Publikum braucht, die Malerei aber nicht unbedingt. Eine intime Kunst ist sie, wenn man sie betreibt wie Ernst Jani. Trotzdem, sein bildnerisches Werk sollte bekannter sein. Ich bin mir sicher, es spricht zu vielen, höchst unterschiedlich denkenden und fühlenden Menschen so unmittelbar wie zu mir, so beglückend, so klärend.
Ja, diese Bilder sind auch dekorativ. Auch. Aber sie können weit mehr. Weil sie nicht spekulativ sind. Nichts wollen, vor allem nicht dekorativ sein. Das heißt, sie wollen schon etwas, aber nichts Bestimmtes. Das heißt, schon etwas Bestimmtes, aber es muß herauskommen und sagen: Ich bin da.
Und jetzt geht er hin an den Tisch.

Ludwig Laher
www.ludwig-laher.com


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